Mit Beschluss vom 19.08.22 hat der u.a. für Beschwerden in Nachlass-Sachen zuständige 3. Zivilsenat beim OLG Düsseldorf (Az. 3 Wx 119/22) entschieden, dass Nachlassgerichte auch Kopien von Verfügungen von Todes wegen zu eröffnen haben.
Amtlicher Leitsatz, OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.08.22, 3 Wx 119/22:
Kann ein Testament nicht im Original, sondern nur eine private Kopie der Originalurkunde vorgelegt werden, ist die Kopie gemäß § 348 FamFG zu eröffnen.
Worum ging es?
Nach dem Tode ihres Ehemannes hatte die Witwe dem Nachlassgericht „lediglich“ die Fotokopie eines vor geraumer Zeit von ihrem Mann errichteten Testaments eingereicht, das sie zur Alleinerbin bestimmte, und vorgetragen, ihr Mann habe ihr die Kopie zur Aufbewahrung übergeben. Warum er ihr nicht das Original überlassen habe, sei ihr nicht bekannt.
Das Nachlassgericht lehnte die Eröffnung der Testamentskopie ab mit der Begründung, da eine Kopie keine hinreichende Gewähr einer vollständigen und unverfälschten Wiedergabe biete.
die hiergegen gerichtete Beschwerde der Witwe hatte Erfolg.
Die wesentlichen Entscheidungsgründe:
(Nachdem das OLG zunächst die unterschiedlichen Rechtsauffassungen in Rechtsprechung und Literatur darstellte [Rn. 10 f.], führte es sodann aus:)
Sinn und Zweck des Testamentseröffnungsverfahrens ist es, (…) durch zeitnahe amtliche Feststellung und Bekanntgabe vorhandener Verfügungen von Todes wegen ganz gleich welcher Art, eine geordnete Nachlassabwicklung sicherzustellen. (…) Die Testamentseröffnung ist dem Rechtspfleger übertragen, § 3 Nr. 2 c RPflG; geboten ist eine beschleunigte Sachbehandlung. Dementsprechend findet auch nur eine summarische Plausibilitätsprüfung dahingehend statt, ob sich das dem Nachlassgericht vorliegende Schriftstück nach Form und Inhalt als Verfügung von Todes wegen darstellen kann. Ob ein Schriftstück den materiell-rechtlichen Anforderungen an eine wirksame Verfügung von Todes wegen genügt, ist im Eröffnungsverfahren nicht zu entscheiden; (…). Vorstehende Grundsätze, die allgemein anerkannt sind, sprechen für die Eröffnung auch eines nur in Kopie vorhandenen Testaments. Im Einzelfall mag nämlich gerade nicht ohne weiteres zu erkennen sein, ob es sich bei einem Schriftstück um eine Kopie handelt. Dem Wesen des Testamentseröffnungsverfahrens liefe es jedoch zuwider, wenn ein Streit hierüber in das Verfahren über die Testamentseröffnung (vor-)verlagert würde.
(…) Ebenfalls allgemein anerkannt ist, dass auch offensichtlich formunwirksame Testamente zu eröffnen sind (BeckOK FamFG/Schlögel, a.a.O., § 348 Rn. 6; Keidel/Zimmermann, a.a.O., § 348 Rn. 13), da sie möglicherweise als Auslegungshilfe zur Ermittlung des Erblasserwillens in Betracht kommen können. Diese Erwägung gilt aber auch für die Kopie eines Testaments. Welche Folgerungen aus einem nur in Kopie vorliegenden Testament möglicherweise zu ziehen sein können, ist aber zu dem frühen Stadium der Testamentseröffnung nicht absehbar.
(…) Wird zudem vergegenwärtigt, dass allein die Eröffnung eines Schriftstücks als Testament gemäß § 348 FamFG nichts für seine Wirksamkeit besagt, die Klärung dieser Frage vielmehr Gegenstand insbesondere eines Erbscheinsverfahrens oder einer Erbenfeststellungsklage ist, ist es nach Auffassung des Senats nicht gerechtfertigt, der Gefahr der Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit der Kopie eine solche Bedeutung zuzumessen, dass eine Eröffnung nicht zulässig wäre.
Sprechen nach Auffassung des Senats nach alledem die besseren Gründe für die Eröffnung der von der Beteiligten vorgelegten Testamentskopie, war das Nachlassgericht wie geschehen anzuweisen.
Anmerkung von Fachanwalt für Erbrecht Ingo Lahn, Hilden:
Die Argumente des Senats für die Eröffnungspflicht auch von Testamentskopien überzeugen. Letztlich kann die Frage der formellen oder materiellen Wirksamkeit einer Verfügung von Todes wegen nur in einem späteren Erbscheinsverfahren oder aufgrund einer Erbenfeststellungsklage geklärt werden.
Grundsätzlich ist nach §§ 2355, 2356 Abs. 1 S. 1 BGB zum Nachweis eines testamentarischen Erbrechts die Urschrift der Urkunde vorzulegen. Ist sie nicht auffindbar, ohne den Willen des Erblassers vernichtet oder sonst verlorengegangen, können Errichtung und Inhalt des Testaments mit allen zulässigen Beweismitteln nachgewiesen werden, so auch mittels einer Abschrift, Durchschrift oder Ablichtung (vgl. nur BayObLG v. 8.6.1993 – 1Z BR 95/92, NJW-RR 1993, 1157; NK-BGB/Kroiß, 6. Aufl. 2022, BGB § 2247 Rn. 59).
Kann aber später nur anhand der Kopie die Errichtung und der Inhalt des Testaments und damit die Erbfolge nachgewiesen und geprüft werden, ist es nur folgerichtig, auch die Kopie einer Verfügung von Todes wegen zu eröffnen. Dies zumal an die Eröffnung Rechtsfolge geknüpft sind, wie etwa der Beginn der Ausschlagungs- oder der Verjährungsfrist.