Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat mit Beschluss vom 03.02.20 (I-7 W 92/19, BeckRS 2020, 1110, Roth, NJW-Spezial 2020, 199) der von einer Pflichtteilsberechtigten auf Auskunftserteilung verklagten Erbin, die den Anspruch sofort anerkannt hatte, gleichwohl die Kosten des Rechtsstreits auferlegt, da sie die Auskunft über mehrere Monate hinweg nicht erteilt und damit nach Auffassung des OLG Klageveranlassung gegeben hat.
Sachverhalt (stichwortartig):
- Im Juni 2018 trat der Erbfall ein.
- Im September 2018 forderte die Pflichtteilsberechtigte die Erbin zur Auskunftserteilung und Vorlage eines privatschriftlichen Nachlassverzeichnisses nach § 2314 Abs. 1 S. 1 BGB auf.
- Erst im März 2019 erhob die Pflichtteilsberechtigte eine (isolierte) Auskunftsklage gegen die Erbin, nachdem diese bis dahin keine Auskunft erteilt hatte.
- Im Juni 2019 erging Teil-Anerkenntnisurteil, nachdem die Beklagte den Auskunftsanspruch „sofort anerkannt“ hatte.
- Im August 2019 erteilte die Beklagte schließlich die geschuldete Auskunft.
Besonderheit des Falles war, dass eine familienfremde Person Erbin geworden war und sich im Nachlass Gesellschaftsanteile und Immobilien befanden.
Mit seinem späteren Schlussurteil legte das Landgericht der Klägerin die Kosten des Rechtsstreits auf, da die Beklagte keine Klageveranlassung gegeben habe. Die hiergegen nach § 99 Abs. 2 ZPO statthafte sofortige Beschwerde war erfolgreich.
Hintergrund: Sofortiges Anerkenntnis und Klageveranlassung
Nach § 91 ZPO hat grundsätzlich die unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Das sind die Gerichtskosten sowie die eigenen und gegnerischen Anwaltskosten.
Wer einen Anspruch des Klägers vor Gericht anerkennt, begibt sich in die Rolle des Unterlegenen und müsste eigentlich die Kosten tragen.
Allerdings erhält der Anerkennende nach § 93 ZPO dann eine Kostenprivilegierung, wenn er
- sofort anerkennt (hierzu muss der Beklagte die erste sich bietende prozessuale Möglichkeit gegenüber Gericht und Prozessgegener zum Anerkenntnis wahrnehmen) und
- durch sein Verhalten keine Veranlassung zur Klageerhebung gegeben hat.
Ein Beklagter gibt sicherlich keine Klageveranlassung, wenn er zu keinem Zeitpunkt außergerichtlich aufgefordert wurde, den Klageanspruch zu erfüllen. Um sich auf das Kostenprivileg des § 93 ZPO berufen zu können, muss der „sofort anerkannte“ Anspruch allerdings auch umgehend bzw. „kurzfristig“ erfüllt werden (OLG Schleswig, ZEV 2016, 583; Roth, NJW-Spezial 2016, 520; OLG Nürnberg, NJW-RR 2003, 352)!
Andererseits besteht Klageveranlassung immer denn, wenn der Beklagte sich in Verzug befindet oder der Kläger nach dem sonstigen Verhalten des Beklagten bei vernünftiger Würdigung davon ausgehen darf, er werde ohne gerichtliche Hilfe nicht zu seinem Recht kommen.
Die Entscheidungsgründe – OLG Düsseldorf, I-7 W 92/19:
Das OLG Düsseldorf betrachtet einerseits das vorgerichtliche Verhalten der – familienfremden – Beklagten und führt dazu aus:
„Auch unter Berücksichtigung der Tatsachen, dass sich die Auskunft über den Bestand des Nachlasses für eine familienfremde Person schwieriger gestaltet als für nahe Angehörige eines Verstorbenen und es sich vorliegend um einen Nachlass handelt, in dem sich Gesellschaftsbeteiligungen und Immobilien befinden, ist die der Beklagten bis zur Klageerhebung im März 2019 eingeräumte Zeit von mehr als 8 Monaten nach dem Erbfall und 6 Monaten nach der ersten Aufforderung in jeder Hinsicht ausreichend gewesen, um die geforderten Auskünfte durch ein privatschriftliches Verzeichnis zu erteilen.“
Sodann zieht das OLG eine Parallelwertung vom notariellen Nachlassverzeichnis auf das vorliegend lediglich geforderte privatschriftliche Nachlassverzeichnis:
„Selbst für notarielle Nachlassverzeichnisse wird i.d.R. ein Anfertigungszeitraum von nicht mehr als 3 bis 4 Monaten zugebilligt. Vorliegend haben der Beklagten aber nicht nur wenige Wochen zur Ermittlung des Nachlassbestands zur Verfügung gestanden, sondern etliche Monate.“
Ferner rechtfertigt das OLG noch die vorgerichtliche Prognose der Klägerin, ohne Klage nicht zum Ziel zu kommen, durch das Verhalten der Beklagten nach Klageerhebung, indem es ausführt:
„Die Klägerin durfte zu Recht davon ausgehen, sie werde ohne Klageerhebung nicht zu ihrem Recht kommen, denn die Beklagte hat weder die Klageerhebung noch das Teilanerkenntnisurteil … zum Anlass genommen, die seit dem Erbfall … fällige Auskunft unverzüglich zu erteilen, sondern hat diese erst durch das mit Schreiben [aus August 2019] übersandte Verzeichnis gegeben.“
Anmerkung von Fachanwalt für Erbrecht Ingo Lahn, Hilden:
Das OLG Düsseldorf legt mit seiner Entscheidung angemessene Fristen fest, nach deren Ablauf ein Pflichtteilsberechtigter „risikolos“ seinen Auskunftsanspruch, der „unverzüglich zu erteilen“ ist, einklagen kann, ohne bei einem sofortigen Anerkenntnis die Kosten des Rechtsstreits tragen zu müssen.
Dabei wird der Beschluss sicherlich Ausstrahlungswirkung auch auf andere erbrechtliche Auskunftsansprüche haben.
Interessant ist an dem Beschluss zunächst, dass der 7. Senat in einer Nebenbemerkung, obwohl es darauf nicht ankam, als erstes Obergericht zu erkennen gibt, dass es eine Vorlagefrist für ein notarielles Nachlassverzeichnis von maximal vier Monaten für angemessen hält (wenn auch nur „in der Regel“).
Weiter kommt in dem Beschluss für ein privatschriftliches Nachlassverzeichnis zum Ausdruck, dass der Senat einem Beklagten – ungeachtet des bisherigen Streits, ob drei Wochen, ein Monat oder sechs Wochen zur Vorlage zuzubilligen sind – jedenfalls dann keine Kostenprivilegierung mehr gewährt, wenn die geforderte Auskunft nicht innerhalb von vier Monaten erteilt wird.
Ob tatsächlich eine kürzere Frist – selbst bei familienfremden Erben und komplexeren Nachlässen – angemessen wäre, konnte offen bleiben, da die Beklagte jedenfalls durch das Verstreichenlassen von sechs Monaten ab der außergerichtlichen Aufforderung Klageveranlassung gegeben hat.
Taktischer Hinweis: Ein Auskunftsberechtigter sollte sich nicht lange hinhalten lassen und unverzüglich Klage erheben, wenn der Verpflichtete innerhalb angemessen gesetzter Frist keine Auskunft erteilt oder alternativ die Beauftragung eines Notars oder Sachverständigen nicht nachweist, keine Sachstandsmitteilungen gibt oder nur zögerlich und „scheibchenweise“ Auskunft erteilt!
So erhält man nicht nur zeitnah einen vollstreckbaren Titel; häufig beendet die Gefahr von Zwangsgeld oder Zwangshaft recht schnell unnötige und dann kostspielige Verzögerungstaktiken.
Eine frühzeitige (nach Auffassung vieler Beklagter meist „verfrühte“) Pflichtteils(stufen)klage ist stets zulässig und auch begründet. Sie ist eigentlich „unverlierbar“.
Der Beklagte kann dann allenfalls versuchen, der Kostenlast zu entgehen, indem er prozessual den Anspruch sofort anerkennt.
Da für eine Kostenprivilegierung beim sofortigen Anerkenntnis jedoch hinzukommen muss, dass der Beklagte den Anspruch auch kurzfristig erfüllt – was selten geschieht und oft auch faktisch unmöglich ist -, ist das Risiko des Klägers, die Kosten des Rechtsstreits tragen zu müssen, ziemlich gering.