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BGH: Der pauschale Zugewinnausgleich nach § 1371 Abs. 1 BGB ist rein güterrechtlich –
Relevanz in Erbfällen mit Auslandsberührung

Der Bundesgerichtshof hat nunmehr (Beschl. v. 13.05.15, IV ZB 30/14) den Streit entschieden, ob der bei gesetzlicher Erbfolge und bestandenem gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft bei Tod des Ehegatten erfolgende pauschale Zugewinnausgleich durch Erhöhung des gesetzlichen Ehegatten-Erbteils um ein weiteres Viertel güterrechtlich oder erbrechtlich zu qualifizieren ist.

Leitsatz der BGH-Entscheidung IV ZB 30/14 (BGHZ 205, 289):

„Der pauschale Zugewinnausgleich nach , § 1371 Abs. 1 BGB ist im Sinne der Art. 15, 25 EGBGB rein güterrechtlich zu qualifizieren.“

Sachverhalt und Gründe:

In dem entschiedenen Fall war noch die Rechtslage vor Inkrafttreten der Europäischen Erbrechtsverordnung zugrunde zu legen und griechisches Erbrecht anzuwenden.
Die Erblasserin war Griechin und ohne Verfügung von Todes wegen in Deutschland verstorben. Sie und ihr griechischer Ehemann hatten anlässlich des Kaufs zweier Eigentumswohnungen in Deutschland vor dem beurkundenden Notar für die güterrechtlichen Wirkungen ihrer Ehe „den gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft des deutschen Rechts“ gewählt.
Vater und Sohn stritten nun um die Höhe ihrer Erbteile.
Der Sohn hatte einen Erbschein beantragt, der ihn zu 3/4 und den Vater zu 1/4 als Erben ausweisen möge, der Vater meinte, die Beteiligten seien Erben zu je 1/2 geworden.

Der BGH stellte zunächst die Anwendung des griechischen Erbrechts fest. Nach diesem werden Ehegatten (ebenso wie nach deutschem gesetzlichen Erbrecht) zu einem Viertel beerbt.
Nachdem die Eheleute für Ihre Ehe wirksam eine Rechtswahl zugunsten der deutschen Zugewinngemeinschaft getroffen hatten, hatte der BGH sich sodann mit der seit jeher umstrittenen Frage zu befassen, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen in Fällen von Auslandsbezug bei einem kollisionsrechtlichen Auseinanderfallen von Güter- und Erbstatut neben deutschem Güterrecht ausländisches Erbrecht zur Anwendung berufen ist.

Meinungsstand:

  • Nach einer Meinung ist § 1371 Abs. 1 BGB rein güterrechtlich zu qualifizieren, so dass dessen Anwendungsbereich bei Maßgeblichkeit deutschen Rechts als Güterstatut unabhängig vom einschlägigen Erbstatut eröffnet ist.
  • Nach anderer Auffassung kann der erbrechtliche Zugewinnausgleich nur dann zum Zuge kommen, wenn deutsches Recht Güter- und Erbstatut sei.
  • Nach differenzierenden Betrachtungen sei § 1371 Abs. 1 BGB zwar rein güterrechtlich zu qualifizieren, komme aber nur dann zur Anwendung, wenn das neben dem Güterstatut berufene Erbstatut dem deutschen Erbrecht insoweit entspricht, als die gesetzliche Erbquote des überlebenden Ehegatten nicht zugleich einen güterrechtlichen Ausgleich beinhaltet (so z.B. auch das OLG Düsseldorf, Beschl. v. 10.03.15, I-3 Wx 196/14) oder jedenfalls das einschlägige Erbrecht eine äquivalent zum deutschen Recht dem § 1371 Abs. 1 BGB entsprechende Vorschrift kennt.

BGH: § 1371 Abs. 1 BGB ist unabhängig vom Erbstatut anwendbar

Der BGH hat sich in seiner Entscheidung der erstgenannten Auffassung angeschlossen.
Zweck der Vorschrift sei es, „den Güterstand als Sonderordnung des Vermögens der Eheleute während und aufgrund ihrer Ehe abzuwickeln, nicht aber den Längstlebenden kraft seiner nahen Verbundenheit mit dem Verstorbenen an dessen Vermögen zu beteiligen“ (Rn. 25).
Der Einwand, dass die Erhöhung einer ausländischen Erbquote eine verfälschte Anwendung des ausländischen Erbrechts darstelle und in die Verbindlichkeit des Erbstatuts eingreife, übersähe, „dass die Nichtanwendung des § 1371 Abs. 1 BGB in diesen Fällen das deutsche Güterrecht unzulässig verkürzen und damit die gleichermaßen anzuerkennende Verbindlichkeit des Güterstatuts vernachlässigen würde“ (Rn. 27).
[Im Übrigen arbeitet sich der BGH dogmatisch an den o.g. Auffassungen ab.]

Nachtrag von Fachanwalt für Erbrecht Ingo Lahn, Hilden:

Der Europäische Gerichtshof hat mit Urteil vom 01.03.2018 (C-558/16) nunmehr entschieden, dass Art. 1 Abs. 1 der EuErbVO dahin auszulegen sei, dass eine nationale Bestimmung, wonach beim Tod eines Ehegatten ein pauschaler Zugewinnausgleich durch Erhöhung des Erbteils des überlebenden Ehegatten vorzunehmen ist, in den Anwendungsbereich der Verordnung falle.
Der EuGH qualifizierte § 1371 Abs. 1 BGB daher als erbrechtliche Norm.

So schreibt der EuGH, § 1371 Abs. 1 BGB beträfe nach „den dem Gerichtshof vorliegenden Informationen nicht die Aufteilung der Vermögenswerte zwischen den Ehegatten, sondern die Rechte des überlebenden Ehegatten an den Gegenständen, die schon zum Nachlassvermögen gezählt werden. Unter diesen Umständen scheint der Hauptzweck der Bestimmung nicht in der Aufteilung des Vermögens oder in der Beendigung des ehelichen Güterstands, sondern vielmehr in der Bestimmung des dem überlebenden Ehegatten im Verhältnis zu den übrigen Erben zufallenden Erbteils zu liegen. Eine solche Vorschrift betrifft daher in erster Linie die Rechtsnachfolge nach dem Tod eines Ehegatten und nicht das eheliche Güterrecht. Folglich bezieht sich eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende auf Erbsachen i.S.d. EuErbVO.

Die Entscheidung des EuGH erging zur EuErbVO, die erst im August 2015, also nach der BGH-Entscheidung, in Kraft getretenen ist.

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