Der Bundesfinanzhof hat in zwei erst vor Kurzem veröffentlichten Urteilen vom 06.11.19 (II R 29/16 und II R 6/17) entschieden, dass auch diejenigen Rechtsverfolgungskosten (hier: Gerichts- und Anwaltskosten) bei der Erbschaftsteuer erwerbsmindernd abzugsfähig sind, die durch einen letztlich erfolglosen Prozess über eine (vermeintliche) Nachlassforderung entstanden sind. Mit im Wesentlichen gleichlautender Begründung hat der BFH in dem einen Urteil die Entscheidung des FG Baden-Württemberg aufgehoben und mit dem anderen Urteil die Auffassung des FG Düsseldorf bestätigt (dazu meine damalige Besprechung).
Leitsätze des BFH vom 06.11.19, II R 29/16 und II R 6/17:
„Kosten eines Zivilprozesses, in dem ein Erbe vermeintliche zum Nachlass gehörende Ansprüche des Erblassers geltend gemacht / eingeklagt hat, sind als Nachlassregelungskosten gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 3 S. 1 ErbStG abzugsfähig. § 10 Abs. 6 S. 1 ErbStG steht dem Abzug nicht entgegen.“
Worum ging es?
In dem Düsseldorfer Fall hatte ein Miterbe gegen einen anderen Miterben Ansprüche zugunsten der Erbengemeinschaft geltend gemacht, in dem Stuttgarter Fall hatten die Erben Ansprüche gegen einen Dritten zum Nachlass eingeklagt.
Damit waren sie vor den Zivilgerichten gescheitert und wollten nun die vergeblichen Gerichts- und Anwaltskosten von der Erbschaftsteuer „absetzen“, was die Finanzämter nicht akzeptierten.
In dem Stuttgarter Fall wollten die Erben zudem noch die Kosten abziehen, die ihnen in einem Rechtsstreit mit dem Mieter einer geerben Immobilie entstanden waren.
Die gesetzlichen Bestimmungen im ErbStG:
Nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 S. 1 ErbStG sind von dem steuerpflichtigen Erwerb von Todes wegen (§ 3 ErbStG), „sofern sich nicht aus den Absätzen 6 bis 9 etwas anderes ergibt, als Nachlaßverbindlichkeiten abzugsfähig“ unter anderen „die Kosten, die dem Erwerber unmittelbar im Zusammenhang mit der Abwicklung, Regelung oder Verteilung des Nachlasses oder mit der Erlangung des Erwerbs entstehen.“ Nach S. 3 sind hingegen die Kosten der Verwaltung des Nachlasses nicht abzugsfähig.
Nach § 10 Abs. 6 S. 1 ErbStG sind ausdrücklich nicht abzugsfähig die „Schulden und Lasten, soweit sie in wirtschaftlichem Zusammenhang mit Vermögensgegenständen stehen, die nicht der Besteuerung nach diesem Gesetz unterliegen.“
Die wesentlichen Entscheidungsgründe des BFH:
Lehrbuchmäßig wiederholt der BFH zunächst seine ständige Rechtsprechung:
Der Begriff der Nachlassregelungskosten sei grundsätzlich weit auszulegen und umfasse u.a. „die Kosten der tatsächlichen und rechtlichen Feststellung des Nachlasses sowie alle Kosten, die aufgewendet werden müssen, um die Erben in den Besitz der ihnen aus der Erbschaft zukommenden Güter zu setzen.“
Danach, so der BFH, können auch Kosten zählen, „die dem Erben durch die gerichtliche Geltendmachung von (vermeintlichen) zum Nachlass gehörenden Ansprüchen des Erblassers entstehen.“
Ein unmittelbarer Zusammenhang mit der Regelung des Nachlasses liege vor, wenn die Kosten in engem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit dem Erwerb von Todes wegen und nicht erst durch die spätere Verwaltung des Nachlasses (§ 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 3 ErbStG) anfielen.
Ein enger sachlicher Zusammenhang von Prozesskosten mit dem Erwerb sei insbesondere dann gegeben, wenn die Klage eines Erben dazu diene, das Bestehen von nachlasszugehörigen Ansprüchen des Erblassers und damit den Umfang des Nachlasses zu klären.
Ein enger zeitlicher Zusammenhang liege vor, wenn die Klage unverzüglich nach dem Erbfall, dh ohne schuldhaftes Zögern (entsprechend § 121 Abs. 1 S. 1 BGB), also innerhalb einer nach den Umständen des Einzelfalls zu bestimmenden angemessenen Prüfungs- und Vorbereitungszeit erhoben werde.
Schließlich kommt der BFH zur Kernfrage des Falls, ob nämlich § 10 Abs. 6 S. 1 ErbStG dem entgegensteht, weil ja die Vermögensgegenstände, deretwegen vergeblich geklagt worden war, nicht in den Nachlass gelangt sind (bzw. nie zu ihm gehört haben) und damit nicht der Besteuerung unterliegen.
Hierzu führt der BFH – mit doch überraschender Begründung – aus:
„Diese Vorschrift gilt nur für vom Erblasser begründete Schulden und Lasten und ist nicht auf Nachlassregelungskosten iSd § 10 Abs. 5 Nr. 3 S. 1 ErbStG anwendbar. § 10 Abs. 6 S. 1 ErbStG will eine doppelte Steuerminderung durch den grundsätzlich nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG vorzunehmenden Abzug der vom Erblasser herrührenden Schulden und Lasten vermeiden, wenn diese ausnahmsweise mit steuerbefreiten Vermögensgegenständen wirtschaftlich zusammenhängen. Demgegenüber umfassen Nachlassregelungskosten nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 S. 1 ErbStG Aufwendungen, die der Erwerber des Nachlasses nach dem Erwerb zur Abwicklung, Regelung oder Verteilung des Nachlasses erbracht hat. Dabei kann es sich schon begrifflich nicht um vom Erblasser herrührende Schulden und Lasten handeln, die im Zusammenhang mit steuerbefreiten Vermögensgegenständen stehen. Das gilt selbst dann, wenn Nachlassregelungskosten – wie zB Prozesskosten – darauf abzielen, an sich steuerbefreite Vermögensgegenstände zum Nachlass zu ziehen. Auch in diesem Fall geht es um die Regelung des gesamten Nachlasses durch den Erwerber. Ähnlich wie bei den in § 10 Abs. 5 Nr. 3 S. 1 ErbStG ausdrücklich genannten Grabpflegekosten oder den unter § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG fallenden Verbindlichkeiten ist der Abzug nicht durch § 10 Abs. 6 S. 1 ErbStG eingeschränkt.“
In dem Urteil zum Stuttgarter Fall meinte der BFH dann noch, dass die Prozesskosten für den Rechtsstreit mit dem Mieter allerdings zu recht nicht abzugsfähig seien, da es sich hierbei um eine Ausgabe (der Nachlassverwaltung bzw. konkret) der Nachlassverwertung handele, die nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 3 ErbStG nicht abzugsfähig sei.