02103 254457 | kanzlei [at] erbrecht-lahn.de

Beweislast für die Heilung einer formnichtigen Schenkung –

oder: Wenn der Bevollmächtigte Vermögen verschiebt und sich später mit Schenkung verteidigt…

 

Der typische Fall in der Praxis:  Der Erbe stellt nach dem Tod des Erblassers fest, dass es zu „Vermögensverschiebungen“ zugunsten eines Bevollmächtigten oder sonstigen Dritten gekommen ist. Auf das Herausgabeverlangen des Erben behauptet der Bevollmächtigte bzw. Dritte nun, der Erblasser habe ihm das „verschobene“ Vermögen geschenkt.

Rechtlicher Hintergrund

Ein Schenkungsversprechen bedarf der notariellen Form (§ 518 Abs. 1 S. 1 BGB), andernfalls ist es nichtig.
Der Formmangel wird jedoch geheilt, wenn die versprochene Leistung bewirkt (erfüllt) wird (§ 518 Abs. 2 BGB), wie dies z.B. bei Handschenkungen stets der Fall ist.
Wer durch Leistung oder in sonstiger Weise auf Kosten eines anderen ohne rechtlichen Grund etwas erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet (§ 812 Abs. 1 S. 1 BGB).
Hat jemand also ohne (oder jedenfalls ohne formwirksame und damit nichtige) Schenkung etwas erlangt, fehlt der Rechtsgrund zum Behaltendürfen.
Der Bereicherungsgläubiger muss dann im Rückforderungsprozess das negative Tatbestandsmerkmal „ohne rechtlichen Grund“ beweisen, was nur sehr schwer möglich ist.

Beweislast: „Schenkung“ bei Eingriffskondiktion

Bereits mit Urteil vom 14.11.2006 hatte der Bundesgerichtshof in einer wegweisenden Entscheidung (X ZR 34/05 – BGHZ 169, 377) die Rückforderung von dem angeblich Beschenkten erleichtert und in seinem Leitsatz ausgeführt:

„Wer gestützt auf eine Bankvollmacht Beträge vom Konto des Vollmachtgebers abgehoben hat, trägt im Rückforderungsprozess die Beweislast für die Behauptung, mit der Abhebung ein formnichtiges Schenkungsversprechen des Vollmachtgebers mit dessen Willen vollzogen zu haben.“

Im entschiedenen Fall hatte der BGH eine Bereicherung zu beurteilen, die durch „eingreifendes Vorgehen“ in eine dem Erblasser „zugewiesene Rechtsposition erlangt worden ist, ohne dass die Handlung, mittels der dies geschehen ist, für sich gesehen einen Rückschluss auf eine Schenkung und deren Vollzug erlaubte“.
Derjenige, der Schenkung behauptete, hatte sich also „selbst bedient“.
In einem solchen Fall wies der BGH die Beweislast für die „Heilung“ des formnichtigen Schenkungsversprechens der sich mit „Schenkung“ verteidigenden Beklagtenseite zu und führte (Rn. 13) überzeugend aus:

„Der angeblich Beschenkte muss dann Umstände beweisen, die den nach § 518 Abs. 2 BGB für die Wirksamkeit des behaupteten Schenkungsversprechens erforderlichen Tatbestand ausfüllen. Denn wer die Heilung des Formmangels nach § 518 Abs. 2 BGB geltend macht, beruft sich auf einen Sachverhalt, der den Eintritt der nach § 125 Satz 1 BGB an sich gesetzlich vorgesehenen Rechtsfolge hindert.“

Beweislast: „Schenkung“ bei Leistungskondiktion

Nunmehr hat der Bundesgerichtshof seine diesbezügliche Rechtsprechung mit Urteil vom 11.03.14 (X ZR 150/11) fort- und in seinem Leitsatz ausgeführt:

„Beruft sich der Leistungsempfänger gegenüber dem Bereicherungsanspruch auf ein nicht notariell beurkundetes Schenkungsversprechen als Rechtsgrund, so beschränkt sich die ihn treffende Beweislast auf den Nachweis, dass die Leistung mit Wissen und Wollen des Leistenden bewirkt und der Formmangel damit geheilt worden ist.
Das Fehlen eines Schenkungsversprechens muss demgegenüber der Leistende beweisen.“

 

Damit hat der BGH seine Rechtsprechung für Falle, in denen der Bereicherte sich mit einer nicht notariell beurkundeten Schenkung verteidigt, auch auf Fälle der Leistungskondiktion ausgedehnt.
Sie gilt damit nicht nur, wenn ein Bevollmächtigter in Rechtspositionen des Erblassers eingreift (und sich z.B. selbst „bedient“), sondern auch für Fälle, in denen der Erblasser selbst eine Leistungshandlung vornimmt (z.B. Geld etwa als Darlehen überweist oder bar übergibt).

Gleichzeitig stellt der BGH, soweit sein Urteil vom 14.11.06 als Beweislastumkehr verstanden worden war, zunächst klar, dass der Beweis des Rechtsgrundes der geleisteten Zahlungen der beklagten Partei nicht deshalb obliege, weil sie eine Schenkung behauptete. Vielmehr verbleibe es dabei, dass die Beweislast für die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung grundsätzlich der Anspruchsteller trage.
Dies gelte auch, soweit zur Anspruchsbegründung eine negative Tatsache wie das Fehlen eines Rechtsgrundes gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB oder das Ausbleiben eines mit einer Leistung bezweckten Erfolgs gemäß § 812 Abs. 1 Satz 2 BGB gehöre.

Soweit dann allerdings „der Leistungsempfänger sich gegenüber einem Bereicherungsanspruch mit einem nicht notariell beurkundeten Schenkungsversprechen als Rechtsgrund verteidigt, trifft ihn (…) die Beweislast, dass die zu seinen Gunsten erfolgte Vermögensmehrung auf einer den Formmangel heilenden Leistungserbringung gemäß § 518 Abs. 2 BGB beruht, die Leistung also mit einem konkreten Willen des Leistenden an ihn erbracht wurde.
Diese zu Lasten des Leistungsempfängers abweichende Beweislastverteilung beruht auf dem Zweck der gemäß § 518 Abs. 1 BGB für einen Schenkungsvertrag erforderlichen notariellen Beurkundung, unter anderem eine sichere Beweisgrundlage für solche ohne Gegenleistung vereinbarten Vertragsbeziehungen sicherzustellen.“

 

Rechtsanwalt Ingo Lahn, Fachanwalt für Erbrecht in Hilden, rät:

Der BGH hat die Chancen eines „Entreicherten“ bzw. seiner Erben deutlich erhöht, die Bereicherung von einem General-, Vorsorge- oder Kontobevollmächtigten oder sonstigen Dritten, der sich gegen den Rückforderungsanspruch mit „Schenkung“ verteidigt, zurückzuverlangen.
Denn der Gläubiger kann sogar noch dann Erfolg haben, wenn er das Fehlen eines Schenkungsversprechens nicht beweisen kann. Letztlich muss nämlich der Beklagte beweisen, dass die Vermögensverschiebung mit Wissen und Wollen des Entreicherten erfolgt ist.
M.E. kann der Kläger die Schenkung sogar unstreitig stellen, solange er bestreitet, dass die Vermögensverschiebung mit Wissen und Wollen des Entreicherten erfolgte sei.

Lassen Sie von einem Fachanwalt für Erbrecht überprüfen, ob Ansprüche bestehen und mit welchem Prozessrisiko diese ggf. gerichtlich durchgesetzt werden können!

4/5 - (8 votes)