OLG Frankfurt zum Beginn der Ausschlagungsfrist bei minderjährigen Erben
Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (Beschl. v. 03.07.2012, 21 W 22/12) hatte darüber zu befinden, wann bei einem minderjährigen Erben die sechswöchige Ausschlagungsfrist des § 1944 BGB zu laufen beginnt.
In dem entschiedenen Fall hatte zunächst nur ein Elternteil Kenntnis vom Anfall der Erbschaft; seine Ausschlagungserklärung wäre „verspätet“ gewesen. Der andere Elternteil erfuhr von der Erbschaft erst wesentlich später.
Hintergrund:
Eine Erbschaft fällt einem berufenen Erben ganz automatisch ohne sein Wissen und Wollen an. Allerdings kann sich der Erbe dann einer nicht gewünschten Erbschaft durch Ausschlagung wieder entledigen.
Nach § 1944 Abs. 2 BGB ist die Ausschlagung binnen sechs Wochen ab Kenntniserlangung von Anfall und Grund der Berufung zu erklären. Wird die Frist versäumt, gilt die Erbschaft als angenommen und kann nicht mehr ausgeschlagen werden, § 1943 BGB.
Steht das Sorgerecht für ein minderjähriges Kind den Eltern gemeinschaftlich zu, können sie das Kind auch nur gemeinschaftlich vertreten, § 1629 Abs. 1 S. 2 BGB.
Die Entscheidung des OLG Frankfurt, 21 W 22/12:
„Die in § 1944 BGB vorgesehene Frist zur Ausschlagung der Erbschaft beginnt für den minderjährigen Erben erst mit dem Zeitpunkt, zu dem der letzte von den gemeinsam Erziehungsberechtigten erstmals Kenntnis von dem Anfall und dem Grunde der Berufung erlangt hat.“
Das OLG stellt zunächst fest, dass es für den Anlauf der Ausschlagungsfrist nach ganz herrschender Meinung nicht auf die eigene Kenntnis des Minderjährigen, sondern auf die Kenntnis seiner Vertretungsberechtigten ankommt.
Damit kam es auf die rechtliche Frage an, ob für den Beginn der Ausschlagungsfrist die Kenntnis nur eines Elternteils ausreicht oder auf die Kenntnis beider Vertretungsberechtigten abzustellen ist.
Diese Frage ist umstritten und höchstrichterlich noch nicht entschieden.
- Nach herrschender Auffassung ist die Kenntnis beider Elternteile erforderlich.
- Nach Teilen der Literatur reicht die Kenntnis nur eines Elternteils.
Das OLG Frankfurt hat sich der herrschenden Meinung angeschlossen und zur Begründung im Wesentlichen auf den Normzweck des § 1944 BGB abgestellt.
Danach soll die gewährte Ausschlagungsfrist dem Erben Gelegenheit geben, sich über den Bestand des Nachlasses zu unterrichten und über die Annahme oder Ausschlagung schlüssig zu werden. Dem stehe das Interesse der übrigen Nachlassbeteiligten an baldiger Klarheit über die Erbrechtslage gegenüber.
Soweit dann abzuwägen sei zwischen einer angemessenen Überlegungsfrist der Vertretungsberechtigten und dem Interesse des Rechtsverkehrs, ist nach Auffassung des OLG dem Interesse des minderjährigen Erben der Vorzug zu geben und auf die spätere Kenntnis des zweiten Erziehungsberechtigten abzustellen.
Dass etwaige, im Einzelfall vermeidbare Kommunikationsprobleme zwischen den Erziehungsberechtigten zulasten des Rechtsverkehrs gehen, sei hinzunehmen. Denn andernfalls gingen Kommunikationsschwierigkeiten, selbst wenn sie nicht auf ein Verschulden der Erziehungsberechtigten zurückzuführen sind, sondern der besonderen Situation der Eltern des Erben geschuldet sind, zulasten des schutzwürdigen Minderjährigen.
Da die Frage noch nicht höchstrichterlich entschieden ist, hat das OLG die Rechtsbeschwerde zum BGH zugelassen.
Nachtrag:
Rechtsbeschwerde wurde nicht eingelegt.